Die Grundsteine für eine unkomplizierte Geburt werden früh gelegt!
Auswahl des geeigneten Vatertieres
Gerade bei Erstkalbinnen ist es besonders wichtig, ein Vatertier auszuwählen, welches Leichtkalbigkeit vererbt. Ist eine vererbte Schwerkalbigkeit bekannt, sollten alle zuständigen Mitarbeiter bei anstehenden Geburten informiert sein.
Leichtkalbigkeit kann durch die Auswahl des richtigen Spermas gesteuert werden.
Geeignete Körperkondition
Bereits im letzten Drittel der Laktation soll eine optimale Körperkondition (BCS-Note von 3 bis 3,5) erreicht werden.
Die Trockenstehperiode ist nicht zur Regulierung einer optimalen Körperkondition geeignet. Ein Ziel der Trockensteherfütterung ist, das Futteraufnahmevermögen der Kuh so zu trainieren, dass sie nach der Kalbung wieder eine gute Futteraufnahme zeigt.
Kuhkomfort für die Trockensteher
Ein optimaler Kuhkomfort sorgt dafür, dass sich die Kühe wohlfühlen, sich ungehindert hinlegen und aufstehen können, gerne zum Futtertisch gehen, gut fressen und optimal vorbereitet in die Geburt starten. Ein sauberer und bequemer Liegeraum senkt das Risiko für Infektionen und Schwergeburten.
Eckdaten
- 10 Quadratmeter Platzbedarf pro Tier in der Gruppenbox
- Futtertischbreite: Trockensteher (50cm/ Tier), Frischkalber und Färsen (mind. 75cm/ Tier)
Kalzium ist u. a. wichtig für die Muskelkontraktion. Ein zu niedriger Blutkalziumspiegel (subklinisches Milchfieber) bei der Kalbung kann zu Wehenschwäche führen und den natürlichen Geburtsablauf unterbrechen. Dadurch steigt das Risiko für Schwergeburten um das 2,8-fache. Die Fütterung der Trockensteher muss entsprechend angepasst werden.
- Vitamin D3-Gaben vor der Geburt
- Gezielte Kalziumgaben kurz vor und nach dem Kalben (z.B. in Form von Boli)
Die Milchfieberprophylaxe muss individuell auf die Voraussetzungen im Betrieb abgestimmt werden.
Vitalitätsprüfung des Kalbes
1 bis 2 Minuten nach der Kalbung:
- aufrechte Kopfhaltung
- Brustlage
- Nasenatmung regelmäßig und tief
30 bis 60 Minuten nach der Kalbung:
- Aufstehen
- Atemfrequenz unter 50/Minute
Kolostrumversorgung des Kalbes
- Biestmilch so früh wie möglich geben.
- Ziel: 3 bis 4 Liter in den ersten 4 Stunden. Wenn weniger als 2,5 Liter aufgenommen werden, das Kalb drenchen
- Gehalt an Schutzstoffen (Antikörper) in der Biestmilch ist jetzt am höchsten.
- Nur in den ersten 6 Lebensstunden können die Antikörper den Kälberdarm ausreichend passieren. Darüber hinaus unterstützt das Kolostrum die lokale Immunität im Darm.
Nachuntersuchung des Muttertieres
- Nimmt die Kuh ihre Umgebung wahr?
- Kann sie aufstehen?
- Hat die Kuh kalte Ohren (Milchfieber?)
- Hat sie Fieber/ Untertemperatur (normal: 38 bis 39°C)
Vor der Untersuchung des Scheidenraumes unbedingt die Genitalregion gründlich mit Wasser und Jodseife reinigen. Hände und Arme gründlich waschen, saubere Kleidung und Einmalhandschuhe tragen.
Beurteilung
- Befindet sich ein weiteres Kalb im Geburtsweg? Ein übersehener Zwilling, der im Mutterleib abstirbt, kann zu massiven Problemen führen.
- Liegen Verletzungen oder Blutungen vor? Geburtsverletzungen sind oft für eine herabgesetzte Fruchtbarkeit verantwortlich.
- Euterkontrolle und Kolostrum abmelken!
Weiteres Versorgen der Kuh
- Der Kuh nach der Kalbung sofort mindestens 40 Liter temperiertes Wasser oder Energietrunk anbieten (Stoffwechselstabilisierung).
- Kalziumgaben für Kühe mit Milchfieberrisiko bzw. Fortsetzung der Behandlung von Kühen mit Wehenschwäche, die schon Kalzium bekommen haben.
- Bei Gefahr des Ausgrätschens: Vergrittungsgeschirr anlegen
Umstallen in die Abkalbebox
Eckdaten Abkalbebox:
- 4 Abkalbeplätze pro 100 Kühe (ganzjährige Kalbung)
- Einzelkalbungen oder Gruppenkalbungen (max. 6 Tiere)
Platzbedarf: 10 bis 12 m²/Tier (Einzelboxen 15 m²)
- Frischluft, keine Zugluft, hell erleuchtet, gut zugänglich mit Sichtkontakt zur Herde
- Täglich 8 bis 12 kg Stroh/Tier einstreuen
- Nicht als Krankenstall nutzen!
Der richtige Umstallzeitpunkt
Wenn mehrere erste Geburtsanzeichen zusammenkommen (weiche Beckenbänder, tropfende Milch und Schleimabgang) ist der Zeitpunkt zur Umstallung gekommen. Bei bereits sichtbaren Vorderbeinen hat die Geburt (Austreibungsphase) bereits begonnen und ein Umtreiben kann den Geburtsverlauf unterbrechen und somit zu Problemen führen. Nach der Kalbung die Tiere schnell wieder in die Herde integrieren. Ideal sind Frischabkalbergruppen und in größeren Betrieben eigene Färsengruppen (weniger Stress durch Rangordnungskämpfe).
Regelmäßige Geburtsüberwachung
- ab dem Auftreten deutlicher Geburtsanzeichen, wie z.B. abgehaltener Schwanz, Bauchpresse, Abgang von blutigem Schleim, Sichtbarwerden von Fruchtblasen oder Fruchtteilen
- Möglichst unauffällig
- Häufigkeit: tagsüber alle 30 Minuten, nachts mind. alle 3 bis 4 Stunden
Tipp: Den Geburtsverlauf dokumentieren
Den Beginn, Verlauf und das Ergebnis der Geburt dokumentieren. Auch bei Schichtwechsel weiß so jeder ganz genau, wann die Geburt begonnen hat. In großen Betrieben kann mit den Aufzeichnungen die Geburtsüberwachung durch den Herdenmanager oder Tierarzt kontrolliert werden.
Nur bei echtem Bedarf, ruhig und gut vorbereitet untersuchen! Die Untersuchung bedeutet Stress für die Kuh und kann den Geburtsverlauf stören. Zudem stellt jede Untersuchung ein Hygienerisiko dar. Eine gute und rechtzeitig durchgeführte Untersuchung kann jedoch Kälberleben retten!
Gründe für eine geburtshilfliche Untersuchung:
- Geburt geht nicht voran
- Ungewöhnliche Unruhe und Schmerzen des Muttertieres
- Nur eine Klaue oder nur der Kopf ist sichtbar
Vorbereitung
Liegt die Kuh, ist eine erste Untersuchung auf Lage, Stellung und Haltung des Kalbes möglich. Ist alles richtig, darf sie liegen bleiben. Wenn nicht, muss sie aufgetrieben und im Stehen weiter untersucht werden. Eine Korrektur der Lage, Stellung oder Haltung ist allerdings nur im Stehen möglich.
- Muttertier fixieren (z. B. mit Halfter und Strick, der schnell gelöst werden kann). Wichtig: die Kuh muss sich hinlegen können!
- Genitalregion der Kuh gründlich mit Wasser und Jodseife reinigen und desinfizieren, vorher den Schwanz ausbinden (Region bleibt sauber)
- Geburtshelfer: Hände und Arme gründlich waschen
- Saubere Schürze, Einmalhandschuhe
- Das Gleitgel schützt die weichen Geburtswege und das Kalb
Durch unsauberes Vorgehen bei einer vaginalen Untersuchung können Keime in den Genitaltrakt gelangen und später zu einer Gebärmutterentzündung führen, was die Fruchtbarkeit herabsetzen kann. Praktisch und gut zu reinigen sind Geburtshilfekittel. Einmalhandschuhe bis zur Schulter schützen den Geburtshelfer vor infiziertem Fruchtwasser oder allergischen Reaktionen.
Durchführung
- Wie weit ist der Muttermund geöffnet (Öffnung)?
- Ist der Kopf vorne oder hinten (Lage)?
- Ist der Rücken oben oder unten (Stellung)?
Vorsicht Irrtum möglich!
Nicht von der Klauenposition allein auf die Stellung des Kalbes schließen, sondern auch die Winkelung der Vorder- bzw. Hinterbeine mit einbeziehen:
- Sind die Beine/ der Hals gestreckt oder gebeugt (Haltung)?
- Wie groß ist das Kalb im Verhältnis zum mütterlichen Becken?
- Sind es ein oder zwei Kälber?
- Lebt das Kalb? Zieht es ein Bein zurück, wenn man zwischen die Klauen greift? Saugt es am Finger?
- Ist der Geburtsweg verengt? Ist das Kalb durch die Zervix kaum oder gar nicht zu erreichen (Gebärmutterverdrehung)?
Wenn das Muttertier die Geburt nicht alleine bewältigen kann, ist sachgemäße Geburtshilfe nötig.
Voraussetzungen für die Zughilfe:
- Muttermund vollständig offen
- Vorder- oder Hinterendlage
- Obere Stellung (Rücken des Kalbes zeigt zum Rücken des Muttertieres)
- Gestreckte Haltung von Kopf und Beinen
(Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist das Kalb entweder im Durchmesser zu groß oder kann sich nicht in Richtung des Geburtsweges bewegen.)
Fachgerechtes Ziehen
Fachgerechtes Ziehen
Die Auszugsregeln
Beide Gliedmaßen des Kalbes mit jeweils einer Geburtskette oder einem Geburtsstrick oberhalb der Fesselgelenke fixieren, so dass die Ketten/Stricke auf der Beugeseite der Gelenke verlaufen. Geburtsketten lassen sich leichter reinigen und desinfizieren als Geburtsstricke. Geburtsstricke erscheinen schonender. Sie müssen regelmäßig in der Waschmaschine gewaschen und ausgekocht werden!
Tipp: Bei Einsatz eines mechanischen Geburtshelfers unbedingt beachten:
- Möglichst am liegenden Tier
- In den Wehenpausen den Zug nachlassen
- Die Hebelwirkung nicht unterschätzen
Moderne Geburtshelfer verfügen über eine Zugkraftbegrenzung (bis 160kg Zugkraft), sodass der Anwender gar nicht zu stark ziehen kann.
Der Beckenbügel sorgt für den richtigen Sitz am mütterlichen Becken. Nicht einsetzen bei unkorrigierten Lage-, Stellungs- oder Haltungsanomalien, bei ungenügender Öffnung des Muttermundes oder bei zu großer Furcht.
Bei Vorderendlage
Bei Vorderendlage
Bis zum Durchtritt des Kopfes wechselseitig an den Ketten ziehen, danach gleichzeitig. Durch den wechselseitigen Zug bis zum Austreten des Kopfes ist weniger Kraft und Energie notwendig, das schont Muttertier und Kalb.
Tipp: Zughilfe bei großen Kälbern mit korrekter Lage, Stellung und Haltung in Seitenlage des Muttertieres ausüben.
Nur in Seitenlage kann die Bauchpresse durch eine Steilerstellung des mütterlichen Beckens zu besseren Raumverhältnissen führen. Das ermöglicht einen schonenderen Auszug. Dafür das Muttertier gegebenenfalls mit einem langen Strick niederschnüren. In diesem Fall sollte der Tierarzt hinzugezogen werden, der anhand des Schweregrades der Geburt entscheiden kann, ob im Liegen oder Stehen gezogen werden soll.
Zug und Zugkräfte
Zug und Zugkräfte
Zug nur während der Wehen (Bauchpresse), niemals während der Wehenpausen
Nur während der Wehenpausen kann das Kalb mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden. Wird ohne Pause gezogen, ist die Versorgung des Kalbes gefährdet. Außerdem ist der Wechsel zwischen Wehe und Wehenpause wichtig für die Ablösevorgänge der Nachgeburt.
Zugkraft so anpassen, dass sie die Kraft von 2 Männern nicht überschreitet
Zu starke Zugkräfte können zu Verletzungen der Geburtswege, zu Nervenquetschungen und zu Knochenbrüchen beim Kalb führen.
Bei Vorderendlage zunächst parallel zur Wirbelsäule des Muttertieres, Kalbes nach unten abgewinkelt in Richtung Sprunggelenk des Muttertieres ziehen. Befindet sich das Kalb in Hinterendlage, nur parallel zur Wirbelsäule des Muttertieres ziehen.
Durch das Abwinkeln der Zugrichtung wird ein Hängenbleiben der Hinterbeine am mütterlichen Becken vermieden.
Bei der Zughilfe (insbesondere bei Färsen) sollte eine Hilfsperson den Damm mit der flachen Hand durch kräftiges Drücken gegen die Zugrichtung schützen. Durch den Dammschutz werden Einrisse oberhalb der Scham vermieden. Geburtsverletzungen sind später oftmals für eine schlechte Fruchtbarkeit verantwortlich.
Tipp: Damit sich die Geburtswege v.a. bei Erstkalbinnen schneller und schmerzfreier weiten, legen Sie ein Handtuch auf das mütterliche Becken und begießen es nach Bedarf mit warmen Wasser (40-60°C)
Nach jeder Geburtshilfe sollte die Kuh auf Blutungen/ Verletzungen und ein weiteres Kalb im Geburtsweg untersucht werden.
Haltungsanomalien mit viel Gleitgel unter Schutz des weichen Geburtsweges berichtigen.
Reichlich Gleitgel macht manchmal einen Auszug erst möglich. Wenn die Geburt erst
spät bemerkt wurde, sind die Geburtswege manchmal schon so trocken, dass Gleitgel
nicht mehr ausreicht und ein Fruchtwasserersatz angewendet werden muss.
Tierarzt rufen!
Bei gebeugten Vordergliedmaßen:
Das Kalb am Kopf möglichst weit mit der flachen Hand in die Gebärmutter zurückschieben (um Platz zu gewinnen),
dann die Gliedmaße sanft in die Streckung bringen, dabei die Klauenspitze mit der Hand umfassen (um die Gebärmutterwand zu schützen)
und anschließend vorsichtig strecken.
Bei gebeugten Hintergliedmaßen:
Das Kalb am Hinterteil möglichst weit mit der flachen Hand in die Gebärmutter zurückschieben,
dann die Gliedmaße sanft in die Streckung bringen, dabei die Klauenspitze mit der Hand umfassen und anschließend vorsichtig nach hinten ziehen.
An den Beinen entlang tastend wird der Halsansatz ermittelt und so die Haltung des Kopfes bestimmt.
Nur wenn der Kopf und Hals des Kalbes gestreckt sind, kann ein Auszug erfolgreich sein. Ist diese Fehlhaltung nicht zu korrigieren, muss ein Kaiserschnitt durchgeführt werden.
Tierarzt rufen!
Bei der Kopfseitenhaltung sind nur die Vordergliedmaßen zu fühlen bzw. schon äußerlich sichtbar. Bei der Rückenquerlage ist oft ein Kaiserschnitt notwendig.
Wichtiger Hinweis:
Wenn die Versuche, eine Haltungs/Stellungsanomalie zu berichtigen, fehlschlagen oder aufgrund starken Drängens der Kuh nicht möglich sind: Schnell den Tierarzt anrufen, der unter Ausschaltung der Wehen hier schnell und schonend vorgehen kann. Gefahr der Verletzung des Uterus bei unkontrolliertem Vorgehen!
Vorgehen bei starkem Drängen der Kuh
- Es besteht die Gefahr, dass die Gebärmutter vorfällt (Prolaps)
- Kuh auftreiben und stehen lassen, bis der Tierarzt kommt
Die Geburt - ein schmerzhafter Vorgang?
Auch Kühe haben nach einer Schwergeburt oder Kaiserschnitt Schmerzen. Meist äußern sie das aber nicht so wie Menschen mit Jammern und Schreien, sondern leiden eher still. Trotzdem können die Schmerzen zu einer Verschlechterung des Allgemeinbefindens (Rückgang der Futteraufnahme) und infolgedessen zu einer Verminderung der Produktivität führen. Rechtzeitig verabreichte Schmerzmittel durchbrechen diesen Kreislauf und sind angewandter Tierschutz.
Ein guter Start in die Laktation hat einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Fruchtbarkeit der Kühe. Und schon bei der Vorbereitung auf die Kalbung können Sie als Landwirt die Weichen für einen optimalen Laktationsstart der Kuh und einen guten Start ins Leben für das Neugeborene stellen.
Die meisten Kühe kalben dann, wenn sie an einem geeigneten, sauberen Ort mit genügend Platz sind, ungestört und alleine, ohne fremde Hilfe. Aber dennoch kommt es vor, dass Sie als Landwirt oder gemeinsam mit Ihrem Tierarzt helfend eingreifen müssen.
Gute Geburtshilfe besteht aus einem ständigen Abwägen zwischen „die Kuh erst einmal in Ruhe lassen“, „selbst Hand anlegen“ und „den Tierarzt verständigen“.